Anker-Effekt / Anchoring

Was ist der Anker-Effekt / Anchoring?

Definition:

Der Anker-Effekt beschreibt die Tendenz, seine Analyse an der ersten oder frühesten Information zu verankern, die als wichtig empfunden wurde. In der Folge werden spätere Anpassungen des initial vollzogenen Schlusses unzureichend angepasst und bleiben daher zu nah am ursprünglichen Anker. [1]

Erklärung:

Der Ankereffekt tritt beispielsweise dann auf, wenn Menschen auf Grundlage unvollständiger quantitativer Informationen Zahlenwerte schätzen sollen. Solche Zahlenwerte können Wahrscheinlichkeiten sein, Häufigkeiten, der vorliegende Grad an Unsicherheit und so weiter. Liegen bereits Zahlenwerte vor, beispielsweise aus einer älteren Analyse oder gibt der Analyst, vielleicht auch unbewusst, nach der Lektüre einiger weniger Informationen eine Initialschätzung ab, dann dient dieser Zahlenwert quasi als kognitiver Anker. Der dann auf Grundlage dieses Ankers geschätzte Zahlenwert ist eine Anpassung desselben auf Grundlage verfügbarer Informationen. Allerdings wird diese Anpassung zu stark vom Anker beeinflusst, sodass in der Regel nicht ausreichend angepasst wird und es zu einer falschen Einschätzung kommt.[2] Eine weiter differenzierte Erläuterung des Themas, sowie die Zuordnung zu den zwei Systemen (System 1 / System 2) findet sich im entsprechenden Kapitel bei Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, Langsames Denken, ab Seite 152.

Beispiel:

Jeder Zahlenwert kann, unbewusst, zu einem Anker werden. Wenn ich als Analyst also jüngst mit Zahlenwerten konfrontiert wurde, und diese können alles Mögliche sein, von 90% fettfreiem Käse, über 50% Arabica-Bohnen in meinem Kaffee bis hin zu Wettquoten bei der Fußballbundesliga, dann können auch diese Werte Anker werden. Wenn ich nun von einem entsprechenden Anker beeinflusst bin und die Aufgabe habe zu bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass in einem aktuellen Analysefall Täuschung (Deception) durch einen fremden Akteur angewandt wurde, kann der Anker meine Wahrscheinlichkeitsbewertung beeinflussen. Dies geschieht unbewusst und entzieht sich damit letztlich der eigenen Wahrnehmung und damit der eigenen Steuerung.

[1] Definition in Anlehnung an: Artner, Stephan et al.: Assessing the Value of Structured Analytic Techniques in the U.S. Intelligence Community, RAND Corporation, Research Report, 2016, S. 2.

[2] Vgl. Heuer, Jr., Richards J.: Psychology of Intelligence Analysis, Center for the Study of Intelligence, 1999, S. 150 ff.

Last Modified on Mai 18, 2020
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