Was ist eine Heuristik?
Definition:
„Eine Heuristik ist, technisch definiert, ein einfaches Verfahren, das uns hilft, adäquate, wenn auch oftmals unvollkommene Antworten auf schwierige Fragen zu finden.“[1]
Erklärung:
Urteils-Heuristiken stellen eine Form von System-1-Denken dar und werden folglich unbewusst genutzt. Sie können uns dabei helfen, zu näherungsweise guten Schlüssen zu gelangen, in Situationen, in denen wir:
- zu wenig Informationen für ein rational ausgewogenes Urteil zur Verfügung haben.
- aus Motivationsgründen nicht willens sind zu einem rational ausgewogenen Urteil zu gelangen.
- aus Schlafmangel oder wegen Konzentrations- und Ressourcenproblemen nicht in der Lage sind, zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen.
Heuristiken sind in ihrem Ursprung daher durchaus sinnvoll, da sie uns ermöglichen, in Situationen in denen ein rational-ausgewogenes Urteil nicht möglich ist, trotzdem urteilsfähig zu bleiben.
Für Heuristiken im Speziellen gilt aus meiner Sicht das gleiche, wie für voreilige Schlussfolgerungen[2] grundsätzlich. Wenn auf Heuristiken basierende Urteile, Schlüsse und Entscheidungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen und sporadische Irrtümer verkraftbar sind, ist der (unbewusste) Rückgriff auf Heuristiken effizient. Wenn Fehler jedoch zu hohen Kosten führen würden, dann ist der Rückgriff auf Heuristiken riskant und sollte vermieden werden. In entsprechenden Situationen sollte also wann immer möglich versucht werden, mit System 2 zu arbeiten, um den (unbewussten) Rückgriff auf Heuristiken (als System-1-Funktionen) zu vermeiden.
Ein weiterer potentieller Nachteil von Heuristiken ist ihr konservativer Charakter. Robert S. Sinclair[3] beschreibt diesen folgendermaßen:
„Heuristics are inherently conservative; they follow the tried-and-true method of building on what has already happened. When the approach is confronted with the oddball situation or when someone asks what is out there in the rest of the problemspace, heuristics begin to flounder. Yet we resist using other approaches, partly because we simply find them much less congenial, partly because the record allows plausible argument about their effectiveness when dealing with an indefinitely large set of possibilities.“[4]
[1] Kahneman, Daniel: Schnelles Denken, Langsames Denken, Penguin Verlag, 13. Auflage, München: 2012, S. 127.
[2] Vgl. Kahneman, ebd., S. 105.
[3] Sinclair arbeitete 37 Jahre bei der Central Intelligence Agency und betätigte sich anschließend als Berater im Feld der Analyse. Vgl. Sinclair, Robert S.: Thinking and Writing: Cognitive Science and Intelligence Analysis, Center for the Study of Intelligence, Washington, DC: February 2010 (Originally published in January 1984).
[4] Sinclair, ebd.,, S. 9. Sinclair beschreibt die heuristische Vorgehensweise folgendermaßen: „The heuristic approach is a form of intelligent trial-and-error, in which we use experience and inference to clarify, narrow, or otherwise refine a problem to make it workable.“ Ebd., S. 9.